Verhandeln statt prozessieren – Außergerichtliche Streitbeilegung stärken!

Seit etlichen Jahren leidet die Justiz unter einer extrem hohen Arbeitsbelastung. Zuletzt gab es allein gut 45.000 neu anhängig gemachte erstinstanzliche Zivilgerichtsverfahren pro Jahr (Drs. 22/1814). Darunter leiden nicht nur die Beschäftigten der Justiz, sondern zugleich der Rechtsstaat, da sich die Beteiligten in der Folge oftmals langen Verfahrensdauern ausgesetzt sehen. Die außergerichtliche Streitbeilegung bietet die Möglichkeit, die knappen Ressourcen in der Justiz besser zu nutzen und gleichzeitig Bürgerfreundlichkeit, Transparenz und Friedensfunktion von Recht und Justiz zu bewahren und zu fördern. Die Beteiligten bleiben bei der außergerichtlichen, nicht autoritativen Streitbeendigung selbst „Herr ihres Konflikts“. Gelangen sie zu einer Lösung, so ist es ihre, dabei oftmals „nachhaltige“, Lösung (so Wesche, „Zeitschrift für Rechtspolitik“ 2004, 49, 50).

Viele Rechtsstreitigkeiten sind dabei geradezu prädestiniert für ein Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung. Gerade im nachbarlichen Bereich und bei Angriffen auf die persönliche Ehre liegt nämlich oftmals ein tiefergehender Konflikt zugrunde, der durch ein „Alles-oder-nichts-Urteil“ vor Gericht kaum jemals befriedet werden kann, sondern nur Anlass zu immer neuen Streitigkeiten begründet (Greger, ZKM 2004, 196, 197; Greger, „Abschlussbericht zum Forschungsprojekt „Außergerichtliche Streitbeilegung in Bayern““, Seiten 83, 102). Das konfrontativ angelegte Gerichtsverfahren ist, obgleich durch das Gericht in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hingewirkt werden soll, oftmals nicht der geeignete Raum und das geeignete Verfahren, um diese tiefergehenden Grundkonflikte beizulegen. Die außergerichtliche Streitbeilegung kann einen Ausweg aus der weiterhin konfliktträchtigen Alternative von Sieg und Niederlage vor Gericht bieten und hat somit zugleich eine Friedensfunktion.

Leider sind jedoch die Fallzahlen der ÖRA-Vergleichsstelle als Stelle der außergerichtlichen Streitbeilegung sehr ernüchternd und bleiben selbst hinter den eigenen bescheidenen Erwartungen des Senats zurück. So wirbt der Senat zwar damit, dass die ÖRA-Schlichtungsstelle jährlich in rund 2.500 Fällen in Anspruch genommen werde (siehe ÖRA-Faltblatt „Verhandeln statt prozessieren“). Tatsächlich lag die Zahl aber schon seit 2016 deutlich darunter und betrug zuletzt im Jahre 2019 nur noch 491 Fälle, wie die Antwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage, Drs. 22/1814, ergab. Damit lässt sich weder eine Entlastung der Gerichte erreichen noch ein wesentlicher Beitrag zur Förderung des Rechtsfriedens leisten.

verhandeln_statt_prozessieren_aussergerichtliche_streitbeilegung_staerken